Gesetzeslücke im Kündigungsschutz

Dienstnehmer mit besonderem Kündigungsschutz (z.B. Vertragsbedienstete) können eine ihrer Meinung nach ungerechtfertigte Kündigung bei Gericht anfechten. Ist die Klage erfolgreich, besteht das Dienstverhältnis durchgehend weiter. Da aber der Dienstgeber vorerst das Entgelt nicht bezahlt, wenden sich die Kläger an das AMS. Dort gelten sie aber als arbeitssuchend und vermittelbar und verlieren bei Ablehnung einer Beschäftigung die Unterstützung (die sie im Erfolgsfall ohnehin zurückzahlen müssen).

Auch eine ungerechtfertigte Entlassung beendet im Allgemeinen das Dienstverhältnis. Der entlassene Dienstnehmer hat gegenüber dem Arbeitgeber nur Anspruch auf Schadenersatz, d.h. Zahlung des Entgeltes bis zu jenem Zeitpunkt, zu dem eine ordnungsgemäße Kündigung wirksam geworden wäre.

Nun gibt es aber eine Reihe von Dienstnehmern, die einen besonderen Kündigungs- und Entlassungsschutz genießen, beispielsweise nach dem Mutterschutzgesetz, Belegschaftsvertreter, Präsenzdiener. Lehrlinge, aber auch Vertragsbedienstete der Gebietskörperschaften. Eine Kündigung oder auch eine Entlassung ist in diesen Fällen nur wirksam, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen dafür vorliegen. Wird eine Kündigung oder Entlassung ungerechtfertigt ausgesprochen, wird dadurch das Dienstverhältnis nicht beendet. In diesem Fall kann der Arbeitnehmer eine Klage beim Arbeitsgericht einbringen, mit der festgestellt wird, dass das Dienstverhältnis weiter aufrecht ist.

Zur Existenzsicherung gewährt § 12 Abs 8 des Arbeitslosenversicherungsgesetzes diesen Personen Arbeitslosenunterstützung, auf die sonst kein Anspruch bestünde, weil ja ein (strittiges) aufrechtes Dienstverhältnis besteht.

Leider enthält das AlVG aber keine Sonderbestimmungen für diese Personengruppe, sodass diese von den Dienststellen des Arbeitsmarktservice wie alle anderen Arbeitslosen auch vermittelt werden.

Dies führt nun zu der paradoxen Situation, dass einerseits gegenüber dem Arbeitgeber ein aufrechtes Dienstverhältnis behauptet und auch gerichtlich eingefordert wird, andererseits die Arbeitsämter den betroffenen Dienstnehmer an einen anderen Arbeitgeber zu vermitteln versuchen. Ein Weigerung des Dienstnehmers bzw. Arbeitsunwilligkeit bedeutet den Verlust der Unterstützung. Eine in der Praxis häufig äußerst unangenehme Situationen für die Betroffenen, zumal die Gerichtsverfahren oft mehrere Jahre lang dauern.

Ich habe aus diesem Grund eine Anfrage an das Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit gerichtet und auf die ungenügende Absicherung dieser Dienstnehmergruppe hingewiesen. Leider wurde diese Anfrage nicht sehr ernst genommen und lediglich die Auskunft erteilt, das für diese Personengruppe eben keine Sondervorschriften bestünden und daher Anspruch auf Unterstützung nur unter der Voraussetzung der Verfügbarkeit, Arbeitsfähigkeit und Arbeitswilligkeit gegeben sei.

Es bleibt in diesen Fällen daher auch weiterhin den betroffenen Dienstnehmern nichts anderes übrig, als sich gegenüber dem Arbeitsamt als arbeitssuchend auszugeben und sich bei zugewiesenen Arbeitgebern vorzustellen, gleichzeitig aber darauf hinzuweisen, dass sie eigentlicher bei einem anderen Arbeitgeber in einem aufrechten Dienstverhältnis stehen. Eine angebotene Stelle tatsächlich anzunehmen, kann diesen Personen jedenfalls nicht geraten werden. Die Behauptung eines aufrechten Dienstverhältnisses gegenüber dem Arbeitsgericht wäre beim Eingehen eines neuen Dienstverhältnisses zu einem anderen Arbeitgeber nicht mehr aufrecht zu erhalten.

Es bedürfte daher einer Klarstellung des Gesetzgebers im AlVG, dass dieser Personenkreis als nicht vermittelbar anzusehen ist. Angesichts des vergleichsweise geringen Umfanges an Betroffenen ist aber zu bezweifeln, dass es jemals zu einer derartigen Gesetzesinitiative kommen wird. Für die betroffenen Dienstnehmer, die während des laufenden Gerichtsverfahrens existentiell auf die Arbeitslosenunterstützung bzw. Notstandsunterstützung angewiesen sind , ist das eine höchst unbefriedigende und entwürdigende Rechtslage.

16.02.2010
Dr. Michael Gärtner