Bei Schock- und Trauerschäden geht es um eine Schadenersatzzahlung an eine Person, als Ausgleich für psychisch erlittene Beeinträchtigungen. Einer Person kann eine Geldzahlung zustehen, wenn sie einen Unfall miterlebt hat, bei dem ein Beteiligter schwer verletzt oder getötet wurde. Außerdem kann die Nachricht vom Unfalltod eines nahen Angehörigen einen Schock oder Trauer auslösen.
Vom Obersten Gerichtshof wird zwischen Schockschäden und Trauerschäden unterschieden. Für die Zahlung eines Ersatzbetrages bei Schockschäden ist es einerseits erforderlich, dass die geschädigte Person eine psychische Gesundheitsbeeinträchtigung mit Krankheitswert erlitten hat. Dabei reicht es nicht aus, dass Trauer über den Tod eines nahen Angehörigen empfunden wird. Eine psychische Erkrankung könnte etwa in Form einer posttraumatischen Belastungsstörung oder einer Depression auftreten.
Zudem muss die psychisch erkrankte Person entweder ganz unmittelbar am Unfall beteiligt gewesen sein oder diesen sehr nah miterlebt haben. Das kann etwa der Fall sein, wenn man im Unfallauto saß und ein Mitfahrer getötet wurde. Hingegen reicht es nicht aus, ein bloßer Unfallzeuge zu sein. Ein besonderes Naheverhältnis zur schwer verletzten oder getöteten Person ist beim Miterleben des Unfalls nicht erforderlich. Wenn ein Naheverhältnis besteht, erhält man allerdings einfacher eine Ersatzzahlung. Beispielsweise hat der Oberste Gerichtshof jüngst dem Kläger einen Ersatz zugesprochen, der den Unfall seines besten Freundes aus ca. 50 Metern Entfernung miterlebt und sofort erste Hilfe geleistet hat, wobei der Freund noch an der Unfallstelle verstorben ist (OGH 2 Ob 208/23m).
Bei nahen Angehörigen wie Kindern ist es nicht erforderlich, dass die Eltern beim Unfall anwesend waren. Sie dürfen auch durch die Nachricht des Unfalltodes geschockt sein (Fernwirkungsschaden). Der Kreis der nahen Angehörigen ist bei Schockschäden jedoch sehr eng zu ziehen, es wird eine intensive Gefühlsgemeinschaft verlangt. In der Rechtsprechung zeigt sich, dass zunehmend mehr Personen als nahe Angehörige angesehen werden. Beispielsweise wurde ausgesprochen, dass der Stiefvater bei einer besonderen Nähe zum verstorbenen Stiefsohn einen Anspruch auf Ersatz eines Schockschadens hat (OGH 2 Ob 126/23b).
Beim Schockschaden wird stets eine psychische Erkrankung verlangt. Anders ist es beim Trauerschaden, wo eine Ersatzzahlung als Ausgleich für die erlittene Trauer gefordert werden kann. Ein Trauerschaden ist etwa dem Ehemann/der Ehefrau oder den Eltern zu ersetzen, die wegen der Nachricht vom Tod oder der schweren Verletzung des Partners oder Kindes Trauer empfinden. Da in diesen Fällen keine psychische Erkrankung notwendig ist, steht ein Trauschaden idR nur zu, wenn der Schädiger ein besonders verwerfliches Verhalten gesetzt hat. Das konkrete Verhalten muss grob fahrlässig sein. Dabei ist etwa an das Lenken eines Autos in einem stark alkoholisierten Zustand zu denken. Eine kurze Unaufmerksamkeit des Lenkers wird meist nicht ausreichen.
Eine Ersatzzahlung steht nicht nur nach einem Unfall zu. An die Geltendmachung eines Schock- oder Trauerschadens ist auch dann zu denken, wenn der Ehemann/die Ehefrau im Zuge einer Operation aufgrund einer Fehlbehandlung verstirbt und der Partner/die Partnerin dadurch eine psychische Beeinträchtigung erleidet. Eine andere Möglichkeit ist, dass ein naher Angehöriger im Zuge einer Straftat zu Schaden kommt.
Zusätzlich zu einer Ersatzzahlung für die erlittenen seelischen Schmerzen können weitere Ansprüche zustehen. Beim Schockschaden ist aufgrund der erlittenen Erkrankung an einen Ersatz der Kosten der Krankenbehandlung zu denken. Zudem könnte der Geschädigte einen Ausfall seines Einkommens erleiden, weil er aufgrund der Krankheit nicht arbeiten gehen kann. Beim Tod einer Person ist eine Ersatzzahlung für Begräbniskosten oder die Kosten der Errichtung einer Grabstelle möglich.
Generell zeigt sich, dass der Oberste Gerichtshof einen Ersatz für Schock- und Trauerschäden immer häufiger als zulässig erachtet. Insbesondere der Kreis der anspruchsberechtigten Personen wurde in jüngster Zeit weiter gefasst. Es ist anzunehmen, dass weitere Entscheidungen des Höchstgerichtes folgen werden, in denen die Grenzen der Haftung tendenziell ausgedehnt werden. Aufgrund der zahlreichen höchstgerichtlichen Entscheidungen ist zur Prüfung der Ansprüche im Einzelfall eine individuelle rechtliche Beratung erforderlich.
Dr. Sarah Korn
19.04.2024