Meilenstein für Väter?

Obsorgerecht: Müssen Mütter, die den Besuchskontakt des Vaters zum Kind vereiteln, Schmerzengeld zahlen?

Eine Entscheidung des OGH vom 12. April 2011 4Ob8/11x, hat beträchtliches Medieninteresse hervorgerufen. Auch Vera Exklusiv befaßte sich vor kurzem mit dem Fall. Ein bahnbrechendes Urteil, ein Meilenstein für Väter sei diese Entscheidung. Mütter, die den Besuchskontakt vereiteln, müssen den Vätern Schmerzengeld zahlen, hieß es in den Schlagzeilen. Je nach Interessenslage Jubel oder Ablehnung in einschlägigen Internetforen; endlich zeigts der OGH den Frauen!

Ein kurzer Blick in die Entscheidung führt aber zur Erkenntnis, dass noch kein Euro Schmerzengeld bisher zugesprochen wurde. Was war tatsächlich geschehen?

Eine Ehe wird geschieden, das dreijährige Kind bleibt bei der Mutter. Der Besuchskontakt des Vaters zu seinem Kind funktioniert bald nur über gerichtliche Festlegung. Mit 12 Jahren verweigert das Kind schließlich jeden Kontakt zum Vater. Ein Versuch des Vaters, durch gerichtliche Regelung den Besuchskontakt wiederherzustellen, scheitert, das Pflegschaftsgericht weist den Antrag des Vaters ab, weil durch eine gerichtliche Festlegung gegen den so vehement geäußerten Willen des Kindes das Kindeswohl gefährdet wäre. Eine Sozialarbeiterin des Jugendamtes vermutet, dass die ablehnende Haltung auf einer gezielten Beeinflussung der Mutter beruht.

Der enttäuschte Vater klagt nun die Mutter auf Ersatz der Kosten des Pflegschaftsverfahrens und auf 9000 € Schmerzengeld mit der Behauptung, die Mutter habe durch ihre negative Beeinflussung des Kindes beim Vater eine psychische Erkrankung verursacht, die ein entsprechendes Schmerzengeld rechtfertige.

Durch 2 Instanzen blieb die Klage erfolglos; die Gerichte haben die Auffassung vertreten, dass die Folgen einer Besuchsrechtsverweigerung im ABGB abschließend geregelt seien. Schadenersatz sei dafür nicht vorgehsehen. Daher wurde gar nicht geprüft, ob die Mutter das Kind wirklich negativ beeinflusst hat und ob dadurch eine psychische Schädigung des Vaters mit Krankheitswert verursacht wurde.

Der Oberste Gerichtshof hat nun diese Entscheidung aufgehoben und den unteren Instanzen die neuerliche Entscheidung nach Ergänzung des Sachverhaltes aufgetragenen. Die Gerichte müssen prüfen, ob die Haltung des Kindes tatsächlich durch negative Beeinflussung der Mutter hervorgerufen wurde und ob tatsächlich beim Vater dadurch eine psychische Beeinträchtigung mit Krankheitswert hervorgerufen wurde. Ein Schadenersatzanspruch des Vaters wurde für grundsätzlich möglich angesehen.

Grundlage für diesen denkbaren Schadensersatzanspruch des Vaters ist die Wohlverhaltensregel des § 145b ABGB

Nach dieser Bestimmung haben die Eltern bei Ausübung der Rechte und Erfüllung der Pflichten gegenüber dem Kind alles zu unterlassen, was das Verhältnis des Kindes zu anderen Personen, denen in Bezug auf das Kind Rechte und Pflichten zukommen, beeinträchtigt oder die Wahrnehmung von ihren Aufgaben erschwert.

Diese Regelung dient in erster. Linie dem Kindeswohl. Sie schützt aber nach Meinung des Obersten Gerichtshofes auch die Rechte der Eltern und sonstiger Personen.

Konkret bedeutet das, dass ein obsorgeberechtigter Elternteil das Kind nicht dahingehend beeinflussen darf, dass es den Kontakt zum anderen Elternteil ablehnt. Liegt bei einem Kind eine solche negative Haltung vor, kann es dann zwar im Interesse des Kindes durchaus geboten sein, den Besuchskontakt tatsächlich einzuschränken oder zu beenden. Das war auch im konkreten Fall so.

Wenn aber der Mutter vorzuwerfen ist, dass sie tatsächlich durch negative Beeinflussung des Kindes dessen ablehnende Haltung herbeigeführt hat, hat sie gegen die Wohlverhaltensregel verstoßen. Dies kann zum Schadenersatz gegenüber dem Vater führen. Der Schaden kann sowohl in den vergeblich aufgewendeten Kosten im gerichtlichen Besuchsrechtsverfahren bestehen, aber auch in einer psychischen Beeinträchtigung mit Krankheitswert, die zu einem Schmerzengeldanspruch führt.

Erst wenn sich daher im weiteren Verfahren tatsächlich herausstellt, dass die Mutter durch gezielte negative Beeinflussung die Haltung des Kindes verursacht hat und auch tatsächlich dadurch beim Vater auch eine psychische Erkrankung eingetreten ist, wird dies zur Schadenersatzpflicht der Mutter führen.

Die Väter sollten sich übrigens mit ihrem Jubel zurückhalten. Die Wohlverhaltensregel gilt für beide Elternteile. Durch beharrliche Verweigerung des Besuchskontaktes seitens des nicht obsorgeberechtigten Vaters könnte beispielsweise eine psychische Beeinträchtigung der Mutter mit Krankheitswert hervorgerufen werden. Auf Basis der erwähnten Entscheidung des Obersten Gerichtshofes könnte eine solche beharrliche Besuchskontaktverweigerung der Väter auch zu einem Schmerzengeldanspruch der Mütter führen!

Die weitere Entwicklung in diesem durchaus interessanten Rechtsgebiet bleibt abzuwarten.

12.07.2011
Dr. Michael Gärtner