Muss der Vermieter Bleirohre in der Trinkwasserversorgung austauschen?

In älteren Gebäuden finden sich häufig noch Trinkwasserleitungen aus Bleirohren. Da Blei ein Nervengift ist und Gesundheitsschäden verursacht, wird in der wohnrechtlichen Beratungspraxis häufig die Frage gestellt, ob der Vermieter verpflichtet ist, Bleileitungen in der Trinkwasserversorgung auf seine Kosten auszutauschen. Die Antwort des wohnrechtlich geschulten Juristen ist klar und eindeutig: Es kommt darauf an!
In früheren Zeiten wurden für Trinkwasserinstallationen in Häusern häufig Bleirohre eingesetzt. Auch wenn dies schon seit Jahrzehnten nicht mehr geschieht, gibt es immer noch viele Wohnhäuser, in welchen derartige Bleirohre zur Trinkwasserversorgung verlegt sind.
Blei ist, wie man heute weiß, ein Nervengift und kann auch in geringer Konzentration zu schweren Gesundheitsschäden führen, insbesondere bei länger andauernder Aufnahme. In den Trinkwasserleitungen löst sich in geringen Mengen Blei aus dem Rohr, geht ins Wasser über und wird über das Trinkwasser in den Körper aufgenommen. Die Blei-Konzentration steigt mit der Verweildauer des Wassers im Bleirohr. Insbesondere das sogenannte „Standwasser“, also das mangels laufender Entnahme längere Zeit im Rohr stehende Trinkwasser, beispielsweise in Wochenendhäusern, kann daher höhere Bleikonzentrationen aufweisen.

Diese Umstände sind mehr oder weniger bekannt. Mieter in älteren Wohngebäuden mit Bleirohren wollen daher häufig wissen, ob sie den Hauseigentümer/Vermieter zum Austausch der Bleileitungen verpflichten können.
Soviel vorweg: das gibt kein Gesetz, das ausdrücklich eine mietrechtliche Pflicht zum Austausch von Bleirohren festlegt. Die Problematik ist vielmehr unter dem Gesichtspunkt der Erhaltungspflicht des Vermieters und der Verpflichtung des Vermieters zur Vermeidung von Gesundheitsschäden zu betrachten.

Für Mietverträge, die nur dem Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch unterliegen, gilt primär § 1096. Hier wird eine Verpflichtung des Vermieters normiert, das Bestandstück auf eigene Kosten in brauchbarem Stand zu übergeben und zu erhalten. Ergibt sich während der Mietdauer, dass durch Mängel der „bedungene“, also der vertraglich vereinbarte Gebrauch nicht mehr gewährleistet ist, tritt die Erhaltungspflicht in Kraft.

Im Bereich des ABGB kann diese Erhaltungspflicht allerdings vertraglich abgeändert oder ausgeschlossen bzw. auf den Mieter überwälzt werden. Von dieser Möglichkeit wird auch in zahlreichen Mietverträgen Gebrauch gemacht. (Auf die rechtlichen Grenzen einer Überwälzung der Erhaltungspflicht auf den Mieter durch Sittenwidrigkeit bzw. Konsumentenschutzrecht kann an dieser Stelle aus Platzgründen nicht eingegangen werden)

Für Mietverhältnisse, auf die das MRG anzuwenden ist, wurde diese Erhaltungspflicht aber nicht unwesentlich modifiziert. Einerseits wird die Erhaltungspflicht gegenüber 1096 ABGB erweitert, indem eine Erhaltungspflicht auf den jeweiligen ortsüblichen Standard festgelegt wird. Das MRG kennt daher im Gegensatz zum ABGB einen dynamischen Erhaltungsbegriff. Durch den technischen Fortschritt, aber auch durch die geänderten Ansprüche an die Wohnversorgung wird der Maßstab für die Erhaltungspflicht ständig angepasst und erhöht.

Auf der anderen Seite enthält das MRG aber auch eine wesentliche Einschränkung, weil sich diese erweiterte Erhaltungspflicht auf die allgemeinen Hausteile und die gemeinschaftlichen Anlagen beschränkt, während die Erhaltung des eigentlichen Mietgegenstandes, also der Mietwohnung selbst, dem Mieter obliegt und die Erhaltungspflicht des Vermieters auf die Behebung von ernsten Schäden oder die Beseitigung von erheblichen Gesundheitsgefährdungen beschränkt ist.

Damit ist die Gesundheitsgefährdung angesprochen: Tatsächlich wurde diese Erhaltungspflicht bei Gesundheitsgefährdung erst durch die Wohnrechtsnovelle 2006 mit Wirkung vom 01.10.2006 eingeführt. Der Gesetzgeber hatte damals primär veraltete Elektroinstallationen im Visier. Diese neu eingeführte Erhaltungspflicht bei Gesundheitsgefährung gilt aber für alle Arten von Gefährdungen. vor der Novelleb musste der Vermieter auch bei einer Gesundheitsgefährdung durch Leitungen im Inneren des Mietobjektes nur dann die Leitungen tauschen, wenn ein ernster Hausschaden vorlag. Nun ist aber gesetzlich klargestellt: Im Falle einer einer Gesundheitsgefährdung, die allerdings erheblich sein muss, ist der Vermieter zur Beseitigung der Ursache verpflichtet, und zwar auch bei Rohrleitungen im Wohnungsinneren.

Wann ist aber eine Bleikonzentration im Trinkwasser erheblich gesundheitsgefährdend? Das ist im Grunde genommen eine medizinische Frage, die möglicherweise auch in Abhängigkeit von der körperlichen Verfassung des Mieters zu beantworten wäre. Das wäre aber für die Rechtspraxis ein wenig tauglicher Ansatz. Allerdings gibt es die österreichische Trinkwasser-Verordnung, die mit 01.09.2001 in Umsetzung einer EU-Richtlinie in Kraft getreten ist. Durch diese Richtlinie wurde ein Grenzwert unter anderem für Blei im Trinkwasser von 0,025 mg/Liter festgesetzt. Höhere Konzentrationen haben zur Folge, dass es sich nicht mehr um Trinkwasser handelt. Mit 01.12.2013 wurde der Grenzwert für Blei auf maximal 0,01 mg/Liter gesenkt. Dieser Grenzwert ist so streng, dass er wohl in vielen Fällen von Bleiverrohrungen überschritten wird.

Man kann daher nun davon ausgehen, dass jedenfalls bei deutlicher Überschreitung des festgelegten Grenzwertes eine Verpflichtung des Vermieters zur Behebung der Ursache, also zum Austausch der Leitungen, besteht.
Aber auch diese Aussage muss gleich wieder eingeschränkt werden: Gemäß § 6 Absatz 1a MRG können dem Vermieter Erhaltungsarbeiten zur Beseitigung einer erheblichen Gesundheitsgefährdung nur aufgetragen werden, wenn sich die Gesundheitsgefährdung nicht durch andere, den Bewohnern des Hauses zumutbare Maßnahmen abwenden lässt!
Damit wird durch das Gesetz eine Rechtsprechung des OGH festgeschrieben, wonach es dem Mieter durchaus zumutbar ist, das Trinkwasser vor der Entnahme kurze Zeit rinnen zu lassen, um das „Standwasser“ zu beseitigen und dadurch die Bleikonzentration zu reduzieren (OGH 5 Ob 233/04g; 9 Ob 34/04x).

Neben der angesprochenen Pflicht des Vermieters zum Austausch von Leitungen gibt es auch noch für sämtliche Mietverträge, auch für die nur dem ABGB unterliegenden, das Instrument der Mietzinsreduktion. Auch dies ist in § 1096 ABGB geregelt und im Unterschied zur Erhaltungspflicht auch durch Vertrag nicht abdingbar. Wenn nämlich das Bestandobjekt zu dem bedungenen Gebrauch nicht tauglich ist, ist der Bestandnehmer für die Dauer und in dem Maß der Unbrauchbarkeit von der Entrichtung des Zinses befreit.

Eine gesundheitsschädliche Bleikonzentration im Trinkwasser rechtfertigt eine Mietzinsminderung, wobei allerdings nach der Rechtsprechung nicht schematisch auf das Überschreiten von Grenzwerten abgestellt werden kann und geringfügige Überschreitungen nicht zwingend zu einer Reduktion des Mietzinses führen. Vielmehr ist nach Ansicht des Obersten Gerichtshofes zu prüfen, ob tatsächlich über einen relevanten Zeitraum hindurch eine Gesundheitsgefahr besteht bzw. bestand (9 Ob 34/04x ua). Und keinesfalls ist auch durch gesundheitsgefährdenden Bleigehalt eine völlige Zinsbefreiung möglich. Über 25 % kann die Zinsminderung auch in diesem Fall nach der Rechtsprechung nicht hinausgehen, im Normalfall wird die Grenze hier wohl bei 5 bis 10 % liegen. Und genau in diesem Zusammenhang der Mietzinsreduktion wurde auch die Rechtsprechung entwickelt, wonach es dem Mieter zumutbar ist, das Wasser vor der Entnahme einige Zeit laufen zu lassen, um die Bleikonzentration zu reduzieren.

Die Antwort auf die eingangs gestellte Frage kann daher nur differenzierend lauten:

Eine Verpflichtung des Vermieters zum Austausch von Bleirohren in der Trinkwasserversorgung besteht nur dann, wenn eine erhebliche Gesundheitsgefährdung durch die Bleibelastung des Trinkwassers vorliegt. Diese Verpflichtung entfällt jedoch, wenn die Gefährdung durch zumutbare Maßnahmen wie das Rinnen lassen des Wassers vor der Entnahme beseitigt werden kann. Und auch das gilt so nur im Vollanwendungsbereich des MRG.

Auch im Teilanwendungsbereich und für Mietverträge, die nur dem ABGB unterliegen, gilt jedoch das Recht des Mieters zur Minderung des Mietzinses.

Was kann man also einem Mieter raten, der weiß, dass das Trinkwasser seiner Wohnung durch Bleirohre zugeführt wird?

Wenn es zu keiner Einigung mit dem Vermieter kommt, wird der Mieter wohl zunächst eine Trinkwasseruntersuchung auf eigene Kosten durchführen lassen müssen. Ergibt sich dabei, dass nicht nur beim Standwasser, sondern auch bei laufender Entnahme die Grenzwerte deutlich überschritten werden, kann der Vermieter im Vollanwendungsbereich des MRG zum Austausch der Leitungen gezwungen werden, unabhängig davon, ob es sich um Leitungen im Inneren des Mietobjektes oder außerhalb handelt.

Und in allen Fällen kann bei einer Gesundheitsgefährdung – und das auch rückwirkend – Mietzinsminderung geltend gemacht werden, wobei eine 25-prozentige Mietzinsminderung die mögliche Obergrenze darstellt, die nur in besonders krassen Fällen zur Anwendung kommen wird.

Und noch ein Letztes: Bleirohre in der Trinkwasserzuleitung müssen nicht automatisch hohe Bleikonzentrationen im Trinkwasser zur Folge haben. Es kommt dabei auch auf die physikalischen und chemischen Eigenschaften des Wassers an. Bei kalkhaltigem Wasser bilden sich mit der Zeit im Inneren der Rohre Kalkablagerungen, die die Bleiaufnahme durch das Trinkwasser stark einschränken oder gänzlich beseitigen. In diesen Fällen besteht daher auch, solange die Bleirohre nicht undicht werden, keine Austauschpflicht des Vermieters.

30.06.2022
Dr. Michael Gärtner