Keine Haftung des Arbeitgebers für einen Pensionsschaden bei erfolgreich bekämpfter sozialwidriger Kündigung. Der arbeitsverfassungsrechtliche Kündigungsschutz ist primar ein Mitwirkungsrecht der Belegschaft. Die erfolgreiche Anfechtung führt dazu, dass das Dienstverhältnis aufrecht bleibt und das Entgelt nachgezahlt werden muss. Bei Zustimmung der Belegschaftsvertretung bleibt die Kündigung hingegen auch trotz Sozialwidrigkeit aufrecht.
Soweit erkennbar erstmalig musste sich der OGH in der Entscheidung 8 ObA 76/12b vom 24.01.2013 mit der Frage befassen, ob eine sozialwidrige Kündigung eines Arbeitnehmers den Arbeitgeber auch zum Ersatz eines dadurch allenfalls verursachten Schadens verpflichtet.
Eine Arbeitnehmerin war von einem Arbeitgeber kurz vor Erreichen des Regelpensionsalters gekündigt worden. Die Arbeitnehmerin hat diese Kündigung wegen Sozialwidrigkeit nach § 105 Arbeitsverfassungsgesetz angefochtenen. Weil derartige Verfahren vor den Arbeitsgerichten zumeist länger dauern und der Ausgang ungewiss ist, hat die Arbeitnehmerin während des Verfahrens die Alterspension beantragt und auch tatsächlich angetreten.
Die Kündigungsanfechtung war erfolgreich, weil das Gericht davon ausgegangen ist, dass wesentliche Interessen der Arbeitnehmerin beeinträchtigt wurden und betriebliche Erfordernisse die Kündigung nicht gerechtfertigt haben. Aufgrund dieser Entscheidung stand fest, dass das Dienstverhältnis weiterhin aufrecht war, so dass der Arbeitgeber das Entgelt nachzahlen musste. Da inzwischen das Regelpensionsalter erreicht war, kündigte der Arbeitgeber neuerlich; diese Kündigung wurde nicht mehr angefochten.
Mit einer weiteren Klage wollte nun die Arbeitnehmerin festgestellt haben, dass ihr der Arbeitgeber für alle aus der sozialwidrigen Kündigung resultierenden Schäden, insbesondere im Zusammenhang der vorzeitigen Pensionsantragstellung, hafte. Durch den vorzeitigen Pensionsantrag ergab sich aufgrund des dadurch geänderten Durchrechnungszeitraumes eine niedrigere Pensionsbemessungsgrundlage, so dass ungeachtet der Nachzahlung des Arbeitsentgeltes aufgrund der sozialwidrigen Kündigung auch für alle Zukunft eine niedrigere Pension anfallen wird, als dies bei späterer Antragstellung der Fall gewesen wäre.
Zu klären war durch den Obersten Gerichtshof also die Frage, ob der unbestritten durch die vorzeitige Pensionsantragstellung entstandene Schaden nach den Bestimmungen des Schadenersatzrechtes vom Arbeitgeber zu ersetzen ist. Im Ergebnis wurde diese Frage verneint.
Der OGH hat in der Entscheidung ausgesprochen, dass die Bestimmungen des § 105 des Arbeitsverfassungsgesetzes darauf abzielen, den Arbeitgeber zu einer sozialen Gestaltung seines grundsätzlich bestehenden Kündigungsrechtes zu veranlassen. Die Sanktion einer Sozialwidrigkeit ist die Unwirksamkeit der Kündigung mit der Konsequenz, dass das Dienstverhältnis weiter aufrecht ist und der Arbeitgeber das Entgelt nachzahlen muss. Aus diesem Grund steht das Anfechtungsrecht auch primär dem Betriebsrat und nur bei dessen Untätigkeit oder bei Fehlen eines Betriebsrates dem Arbeitgeber selbst zu. Der Kündigungsschutz der Arbeitsverfassung ist als personelles Mitwirkungsrecht der Belegschaft konzipiert. Stimmt der Betriebsrat einer Kündigung zu, kann diese daher auch vom Arbeitnehmer selbst nicht mehr angefochten werden, auch wenn die Voraussetzungen einer Sozialwidrigkeit an sich gegeben wären. Außerhalb dieses gesetzlichen Kündigungsschutzes gilt im österreichischen Arbeitsrechts ja grundsätzlich (mit zahlreichen Ausnahmen) ein freies Kündigungsrecht des Arbeitgebers; eine Kündigung ist im allgemeinen daher nicht rechtswidrig.
Aus diesem Grund ist eine sozialwidrige Kündigung nicht mit einer schadenersatzrechtlich relevanten Rechtswidrigkeit im Sinne des § 1295 ABGB gleichzusetzen.
Die Klage der Arbeitnehmerin wurde daher in allen drei Instanzen abgewiesen.
Mit der Frage, ob allenfalls ein Schadenersatzanspruch wegen Diskriminierung nach den Bestimmungen des Gleichbehandlungsgesetzes begründet wäre, musste sich der OGH nicht befassen, weil sich die Arbeitnehmerin auf das GlBG nicht berufen hat und die Klagsfrist des GlBG (sechs Monate) auch bereits verstrichen war.
Im Anlassfall wurde lediglich die Frage des Pensionsschaden angesprochen. Durch eine – wenn auch erfolgreich angefochtene – Kündigung oder Entlassung können aber auch beträchtliche weitere Schäden entstehen; beispielsweise auch ein Schaden in Form einer wesentlich höheren Steuerbelastung durch den Zufluss des Arbeitsentgeltes mehrere Jahre in einem einzigen Monat. Aus der hier besprochenen Entscheidung ist keinesfalls abzuleiten, dass derartige Schäden niemals ersatzfähig wären. Die Ablehnung eines Schadenersatzanspruches bezieht sich ausschließlich auf eine erfolgreiche Kündigungsanfechtung wegen Sozialwidrigkeit nach der Arbeitsverfassung. Ganz anders kann daher der Fall gelagert sein, wenn beispielsweise ein Arbeitgeber leichtfertig eine Entlassung bei einem Dienstverhältnis ausspricht, bei dem eine Kündigung nur aus besonderen Gründen möglich ist. In diesen Fällen ist sehr wohl ein Schadenersatzanspruch des Arbeitgebers denkbar, wenn er bei pflichtgemäßer und sorgfältiger Vorgangsweise die mangelnde Berechtigung seiner Entlassung hätte erkennen müssen.
Wie so häufig kommt es daher auch in diesem Zusammenhang auf die ganz konkreten tatsächlichen und rechtlichen Umstände des Falles an.
24.01.2014
Dr. Michael Gärtner