„Zeitbombe“ Zubehörwohnungseigentum

Höchstgerichtliche Judikatur mit weitreichenden Konsequenzen! Zubehör-Wohnungseigentum wird nur dann wirksam begründet, wenn es im Hauptbuch eingetragen ist. Das ist in der Grundbuchspraxis meist nicht der Fall. Müssen Wohnungseigentümer um ihr Recht bangen?

Das Wohnungseigentumsgesetz kennt drei Kategorien von Flächen in der Wohnungseigentumsanlage: die eigentlichen Wohnungseigentumsobjekte, die Allgemeinflächen und das Zubehör-Wohnungseigentum.

Von Letzterem spricht man, wenn beispielsweise Kellerabteile, Hausgärten oder Lagerflächen einem Wohnungseigentumsobjekt zur ausschließlichen Nutzung und Verfügung zugeordnet werden.

Die richtige Qualifikation aller Flächen ist wichtig, weil alles, was nicht im Wohnungseigentum oder Zubehör-Wohnungseigentum steht, Allgemeinfläche ist und der Nutzung aller Miteigentümer dient.

An die jeweilige Qualifikation knüpfen sich also unterschiedliche Rechtsfolgen. Von ihr hängt ab, ob ein Miteigentümer bestimmte Flächen alleine nutzen darf, alleine darüber verfügen (z.B. vermieten) kann oder dulden muss, dass auch andere diese Fläche nutzen. Von ihr hängt ab, ob und in welchem Umfang ein Miteigentümer Änderungen vornehmen darf usw.

Seit jeher ist unstrittig, dass es zur Schaffung von Zubehör-Wohnungseigentum zunächst eine entsprechende Parifizierung braucht, in der genau angeführt ist, welche Flächen zu welchem Wohnungseigentumsobjekt gehören und welche Zubehörflächen einzelnen Wohnungseigentumsobjekten zugeordnet sein sollen.

Aus der Ermittlung der Nutzflächen und deren wertender Gewichtung ergibt sich der Nutzwert einer Wohnungseigentumseinheit (samt Zubehör), der wieder für den nötigen Miteigentumsanteil an der Gesamtanlage bestimmend ist. Weiters wird natürlich auch eine Übereinkunft der Miteigentümer benötigt, in der vertraglich die entsprechenden Zuordnungen vereinbart und fixiert werden, den sogenannten Wohnungseigentumsvertrag. Schließlich muss dieser Wohnungseigentumsvertrag im Grundbuch auch durchgeführt werden. Dann wird im Eigentumsblatt bei jedem Mindestanteil die Verbindung mit einer Wohnungseigentumseinheit vermerkt.

In der Praxis der Grundbücher wurden sehr häufig die Eintragungen im sogenannten Hauptbuch eher knapp gehalten. Häufig wurde nur angeführt, welche Wohnungseigentumseinheit mit diesem Anteil verbunden ist. Ob und welches Zubehör-Wohnungseigentum mit dieser Einheit verbunden ist, konnte man erst durch Einsicht in die Urkundensammlung (Wohnungseigentumsvertrag und Parifizierungsliste sowie Plandarstellung) ersehen.

In diesem Zusammenhang ist nun auf eine inzwischen schon als gefestigt anzusehende Judikaturlinie des Obersten Gerichtshofes, ausgehend von einer ersten Entscheidung im Jahr 1999 (OGH 23.03.1999 5 Ob 73/99t), hinzuweisen: Der Oberste Gerichtshof spricht nämlich seither in inzwischen etlichen Entscheidungen immer wieder aus, dass es für die sachenrechtliche Zuordnung einer Fläche als Zubehör-Wohnungseigentum nicht genügt, wenn sich diese Zuordnung aus dem Wohnungseigentumsvertrag und der Parifizierung ergibt. Nötig ist vielmehr eine Eintragung im Hauptbuch, also im Eigentumsblatt. Die sachenrechtliche Zuordnung eines Raumes oder einer Fläche als Zubehör erfolgt durch die Einverleibung des Wohnungseigentums und des Umfanges des Zubeörs im Grundbuch. Es muss also beispielsweise angeführt werden: Wohnung W1 mit Kellerabteil 1 und Gartenfläche 1 oder ähnlich. Unterbleibt die entsprechende Eintragung im Hauptbuch, ist wirksam kein Zubehör-Wohnungseigentum entstanden; die betreffenden Fläche stehen sachenrechtlich im gemeinsamen Eigentum ( Zuletzt siehe OGH, 22.11.2011, 4 Ob 150/11d; ebenso 2.8.2012, 4 Ob 108/12d).

Nach und nach erleben nun Wohnungseigentümer in diesem Zusammenhang böse Überraschungen . Während sie bisher der festen Meinung waren, auch über ihnen zugeordnete Gartenflächen, Kellerabteile, bei Wohnungseigentumsbegründung vor Inkrafttreten des Wohnungseigentumsgesetzes 2002 auch Parkplätze, alleine verfügen zu können, müssen Sie in entsprechenden gerichtlichen Auseinandersetzungen mit anderen Miteigentümern nun schmerzlich erfahren, dass sie aufgrund dieser Rechtsprechung gar kein ausschließliches Verfügungsrecht haben und zu Änderungen an der ihnen vermeintlich gehörenden Einheit nicht wie geplant berechtigt zu sein, weil es sich in Wahrheit nach der Rechtsprechung des Höchstgerichtes um Allgemeinflächen handelt.

Die Sache ist ziemlich dramatisch, weil es wohl sehr viele Wohnungseigentumsanlagen gibt, bei denen das beabsichtigte Zubehör-Wohnungseigentum nicht oder nicht ausreichend im Hauptbuch eingetragen ist. Tatsächlich gab es in der Praxis früher sehr häufig auch die Situation, dass die Grundbuchsführer trotz eines entsprechenden ausdrücklichen Antrages keine entsprechende Eintragung vorgenommen haben, weil sich die Zuordnung ohnehin aus der Urkundensammlung ergibt. Diese Meinung kann aber nun nicht mehr aufrechterhalten werden. Das die meisten Anlagen dennoch funktionieren, liegt wohl häufig nur darin, dass die Miteigentümer über die rechtliche Problematik gar nicht bescheid wissen und sich an den Wohnungseigentumsvertrag halten.

Welche Konsequenzen im einzelnen die fehlende Anführung des Zubehörs im Hauptbuch hat, ist durchaus unklar. Die Meinungen reichen von einer zumindest obligatorischen Wirkung zwischen den Vertragspartnern, an die aber möglicherweise neue eintretende Wohnungseigentümer nicht ohne weiteres gebunden sind bis zur Nichtigkeit der gesamten Parifizierung. Immerhin stimmen bei unterbliebener Eintragung des Zubehörs ja auch die Mindestanteile nicht mehr.

Eine grundbücherliche Sanierung durch nachträgliche Eintragung über Berichtigungsanträge scheidet aus, sofern die (mangelhafte) Eintragung bereits rechtskräftig ist. Bei Einigkeit der Wohnungseigentümer und Identität mit den Parteien des ursprünglichen Wohnungseigentumsvertrages könnte unter Umständen versucht werden, eine nachträgliche Eintragung zu beantragen.

Auch dies geht aber natürlich nicht, wenn einzelne Miteigentümer die Wirksamkeit der getroffenen Regelungen schon infrage stellen, wie dies inzwischen immer wieder vorkommt.

Die Judikatur des OGH wird in der Fachliteratur zum Teil heftig kritisiert, wird aber bisher ungeachtet dieser Kritik weiter aufrecht erhalten.

Für alle , die bereits Wohnungseigentümer sind und über die Nutzungsrechte in der Anlage Klarheit haben wollen, aber auch für alle Kaufinteressenten einer Wohnungseigentumseinheit ist es jedenfalls ganz wichtig, rechtlich sauber abzuklären, welche Nutzungsrechte aufgrund der Eintragungen im Grundbuch tatsächlich bestehen. Gefordert sind aber natürlich auch die Vertragserrichter und Berater, die sich mit den Konsequenzen dieser Judikatur auseinandersetzen müssen.

29.01.2013
Dr. Michael Gärtner