Unter einem Wohnrecht (richtig: Wohnungsgebrauchsrecht) verstehen man das Recht, in einer Wohnung oder einem Haus zu leben ohne eine Miete zu bezahlen. Der Umfang und die Dauer des Wohnungsgebrauchsrechts hängen davon ab, wie man den Anspruch erhalten hat. Das Wohnrecht kann durch einen Vertrag oder das Gesetz erworben werden. Möglich ist auch die Einräumung des Wohnrechts in einem Testament.
Wohnungsgebrauchsrecht durch einen Vertrag
In der Praxis wird ein Wohnrecht häufig in einem Vertrag vereinbart. Beispielsweise schenken die Eltern einem Kind das Haus schon zu Lebzeiten. Gleichzeitig sichert das Kind zu, dass die Eltern bis zu ihrem Tod kostenlos im Haus wohnen können. Der Umfang des Wohnrechts richtet sich in solchen Fällen nach dem Vertragsinhalt. Beispielsweise kann festgelegt werden, dass das gesamte Wohnhaus mit Garten genutzt werden darf. Alternativ ist auch die Nutzung eines Teils des Hauses wie einer bestimmten Wohnung möglich.
In solchen Fällen ist zu empfehlen, direkt im Vertrag eine Regelung zu den laufenden Kosten und anfallenden Erhaltungsarbeiten vorzusehen. Beispielsweise stellte sich die Frage, wer die Grundsteuer oder die Kosten einer notwendigen Dachsanierung oder eines Fenstertausches übernimmt. Zudem ist zu überlegen, wer darüber entscheidet, ob die Fenster schon getauscht werden müssen oder eine Reparatur noch möglich ist. Für all diese Fragen ist es sinnvoll, direkt im Vertrag eine Regelung vorzusehen. Nur für den Fall, dass im Vertrag nichts vereinbart wurde, kommen die gesetzlichen Bestimmungen (insbesondere § 521 ABGB) und die von den Gerichten entwickelten Grundsätze zur Anwendung.
Zudem sollte eine Regelung für den Fall getroffen werden, dass die Eltern in ein Pflegeheim ziehen. Möglich ist beispielsweise eine Regelung, wonach das Wohnungsgebrauchsrecht erlischt, wenn es ein Jahr lang nicht genutzt wird. Ansonsten besteht die Schwierigkeit, dass das Haus grundsätzlich für die mögliche Nutzung verfügbar bleiben muss. Zwar gibt es für solche Fälle Abhilfemöglichkeiten, die jedoch von bestimmten Voraussetzungen abhängen. Eine klare vertragliche Regelung ist daher von Vorteil.
Wohnungsgebrauchsrecht durch ein Testament
Der Eigentümer einer Wohnung oder eines Hauses hat die Möglichkeit, im Rahmen einer letztwilligen Verfügung (zB Testament) einer Person ein Wohnrecht zu gewähren. Die zeitliche Dauer des Rechtes hängt grundsätzlich vom Testament ab. Üblich ist die Einräumung eines lebenslangen Wohnrechts. Alternativ kann auch eine Befristung auf eine bestimmte Anzahl von Jahren vorgesehen werden. Wenn es pflichtteilsberechtigte Personen wie Kinder gibt, muss bei derartigen Zuwendungen auch über die Pflichtteilsansprüche nachgedacht werden. Ansonsten könnte es zu einer unzulässigen Kürzung der Ansprüche kommen.
Wohnungsgebrauchsrecht durch das Gesetz
Der wichtigste Fall eines durch das Gesetz eingeräumten Wohnungsgebrauchsrechts ist das gesetzliche Vorausvermächtnis bei Ehepartnern gem § 745 ABGB. Demnach hat der überlebende Ehepartner das Recht nach dem Tod des Partners weiterhin in der Ehewohnung zu leben und den Hausrat (zB Geschirr, Möbel) kostenlos zu verwenden. Die gesetzliche Bestimmung ist in jenen Fällen wichtig, in denen die Wohnung oder das Haus etwa an ein Kind vererbt wird. Das Recht ist grundsätzlich zeitlich nicht befristet, weshalb der überlebende Ehepartner bis zu seinem Tod in der Wohnung oder dem Haus bleiben kann.
Beim gesetzlichen Vorausvermächtnis stellt sich die Frage, ob das Recht bei einer erneuten Heirat erlischt. Der Zweck des Wohnrechts ist es, dass der überlebende Ehegatte über den Tod des Partners hinaus versorgt ist. Dieser Zweck fällt bei einer erneuten Heirat weg. Kürzlich hat sich der Oberste Gerichtshof (OGH) mit der Frage befasst, ob das Wohnungsgebrauchsrecht erlischt, wenn der überlebende Ehegatte wieder heiratet. Grundsätzlich gilt für Unterhaltsansprüche, dass diese enden, wenn der Unterhaltsberechtigte eine neue Ehe eingeht. In der Entscheidung 5 Ob 50/24z hat der OGH ausgesprochen, dass im Fall einer neuerlichen Heirat das gesetzliche Vorausvermächtnis und damit das Wohnungsgebrauchsrecht erlischt. Der überlebende Ehepartner hat also kein Recht mehr, die Wohnung kostenlos zu benutzen.
Vor einigen Jahren wurde ein ähnliches (zeitlich begrenztes) Vorausvermächtnis auch für Lebensgefährten geschaffen. Diese haben nach dem Gesetz nur ein sehr schwaches Erbrecht, das in der Praxis kaum zur Anwendung kommt. Das gilt unabhängig von der Dauer der Lebensgemeinschaft. Wenn ein Partner seinem Lebensgefährten etwas zukommen lassen möchte, ist daher jedenfalls die Errichtung eines Testaments zu empfehlen. Wenn kein Testament vorliegt, hat der Lebensgefährte in bestimmten Fällen das Recht, weiterhin in der Wohnung zu leben. Voraussetzung dafür ist jedoch, dass der Lebensgefährte in den letzten drei Jahren im gemeinsamen Haushalt mit dem Verstorbenen gewohnt hat. Zudem endet das Recht ein Jahr nach dem Tod. Nach Ablauf des Jahres hat der Lebensgefährte kein Recht mehr, die Wohnung zu benutzen, wenn vorab keine Regelung getroffen wurde und etwa die Kinder die Wohnung geerbt haben.
Bestehendes Vorausvermächtnis bei neuer Lebensgemeinschaft?
Die genannte Entscheidung des OGH zum Erlöschen des gesetzlichen Vorausvermächtnisses samt Wohnrecht bei einer neuen Ehe wirft für die Praxis eine wesentliche Frage auf: Kann das Wohnungsgebrauchsrecht weiterhin ausgeübt werden, wenn eine neue Lebensgemeinschaft eingegangen wird? Diese Frage stellte sich vor dem Hintergrund, dass nach der aktuellen Rechtsprechung des OGH Unterhaltsansprüche für die Dauer einer neuen Lebensgemeinschaft ruhen, also nicht bezahlt werden. Ob die Wohnung weiterhin genutzt werden kann, wenn eine neue Lebensgemeinschaft besteht, ist aktuell unklar und hängt davon ab, wie das Wohnungsgebrauchsrecht erworben wurde. Wenn das Wohnrecht wegen eines Vertrages zusteht, kann direkt darin geregelt werden, ob das Recht im Fall einer neuen Lebensgemeinschaft weiterhin bestehen soll. Bei der Verfassung des Testaments ist es ebenfalls denkbar, dass eine Regelung dazu getroffen wird. Problematisch sind jedoch jene Fälle, in denen nichts ausdrücklich geregelt wurde.
Aufgrund der unklaren Rechtslage sollte daher bei der Gewährung eines Wohnrechtes insbesondere zu Gunsten eines Lebensgefährten darüber nachgedacht werden, ob das Eingehen einer neuen Partnerschaft zum Verlust des Rechtes führt. Wenn das Wohnrecht verloren geht oder für die Dauer der Lebensgemeinschaft die Wohnung nicht bewohnt werden darf (also ein Ruhen eintritt), stellen sich weitere Fragen. In der Praxis ist es aufgrund der unterschiedlichen Ausgestaltung oft nicht einfach, zu beurteilen, ob eine Lebensgemeinschaft vorliegt oder nicht. Das Anknüpfen an einer neuen Heirat bietet den Vorteil, dass dies meist einfach festgestellt werden kann.
Fazit
Das Wohnungsgebrauchsrecht ist in der Praxis von großer Bedeutung und kann sehr unterschiedlich ausgestaltet sein kann. Die Details können erheblich voneinander abweichen. Wenn ein Wohnrecht daher durch einen Vertrag oder ein Testament eingeräumt wird, macht es Sinn eine Regelung etwa für die laufenden Kosten und Erhaltungsarbeiten zu treffen. Das gesetzliche Vorausvermächtnis geht weiter als ein reines Wohnrecht, weil auch die Benützung von Haushaltsgegenständen umfasst ist. Allerdings steht dieses Recht nicht mehr zu, wenn eine neue Ehe geschlossen wird und voraussichtlich auch nicht, wenn eine neue Lebensgemeinschaft eingegangen wird. Damit es zu keinen bösen Überraschungen kommt, ist es sinnvoll, sich bereits zu einem frühen Zeitpunkt rechtlich beraten zu lassen.
Für weitere Fragen zum Wohnungsgebrauchsrecht und dem gesetzlichen Vorausvermächtnis stehe ich gerne zu Ihrer Verfügung.
Dr. Sarah Korn
06.05.2025