Das Wichtigste zuerst: Wie lange ein Kind Anspruch auf einen Unterhalt hat und die Eltern Zahlungen leisten müssen, hängt ab dem Ende der Schulpflicht nicht mehr vom Alter des Kindes ab. Ein Kind kann bereits mit 16 Jahren keinen Unterhaltsanspruch mehr haben. Gleichzeitig kann ein Elternteil verpflichtet werden, einem 25-jährigen Kind einen Unterhalt zu zahlen. Der Unterhaltsanspruch hängt primär davon ab, ob das Kind eine Ausbildung absolviert. Die Leistungsfähigkeit des Elternteils ist für die Frage, ob ein Unterhaltsanspruch dem Grunde nach besteht, nur in bestimmten Fällen relevant.
Bereitschaft zur Arbeit oder Ausbildung
Damit ein Kind seinen Unterhaltsanspruch nach dem Ende der Schulpflicht nicht verliert, muss es sich in einer Ausbildung befinden oder auf Arbeitssuche sein. Zudem muss die Ausbildung zielstrebig verfolgt werden. Das ist dann der Fall, wenn etwa ein Gymnasium besucht wird und nicht nur fünfer im Zeugnis stehen. Wenn eine Lehre absolviert wird, hat das Kind ebenfalls einen Anspruch auf eine (reduzierte) Unterhaltsleistung. Dabei schadet es in der Regel nicht, wenn die Lehrstelle einmal gewechselt wird oder das Kind in der Berufsschule eine schlechte Note erhält. Es kommt darauf an, dass insgesamt ein Wille zum Abschluss der Ausbildung gezeigt wird. Je jünger das Kind ist, desto geringer ist üblicherweise der Maßstab bei der zielstrebigen Ausbildung.
Mit dem Abschluss der Schule oder Lehre endet die Unterhaltspflicht nicht zwingend. Vor allem bei Kindern, die die Matura absolvieren und einen Wunsch zum Studium äußern, bleibt die Unterhaltspflicht bestehen. Bei einer Lehre mit Matura und einem anschließenden Studium ist auch ein Unterhaltsanspruch möglich. Das Studium muss vom Kind zielstrebig verfolgt werden, wobei üblicherweise auf die Anzahl der abgelegten Prüfungen und erworbenen ECTS-Punkte abgestellt wird. In der Regel sieht ein Studienplan vor, dass pro Semester 30 ECTS erworben werden. An den Universitäten wird dieser Wert jedoch von den wenigsten Studenten jedes Semester erreicht. Die Gerichte stellen darauf ab, wie lange ein durchschnittlicher Student für das Studium benötigt. Gerade wenn in den ersten zwei Semestern Anlaufschwierigkeiten bestehen und nicht alle ECTS erreicht werden, führt dies nicht zum Verlust des Unterhaltsanspruchs. Ein früher Wechsel des Studiums schadet für den Bezug des Unterhalts meist nicht. Von den Gerichten wird Unterhaltsberechtigten rund ein Jahr an Bedenkzeit gewährt, um sich zu orientieren und herauszufinden, welches Studium bei den eigenen Interessen und Fähigkeiten am besten passt.
Auslandsaufenthalt & späteres Studium
Nach Abschluss der Schule besteht oft der Wunsch für einige Monate oder ein Jahr ins Ausland zu gehen, eine andere Sprache zu lernen und sich zu überlegen, welches Studium angetreten wird. Der Oberste Gerichtshof hat sich kürzlich mit einem Fall befasst, in dem die Unterhaltsberechtigte nach Abschluss der Schule für ein Jahr im Rahmen eines Work & Travel-Programms nach Australien reiste. In dieser Zeit sollte das Land bereist, berufliche Erfahrungen gesammelt und die Englischkenntnisse verbessert werden. Zudem diente der Aufenthalt der „Selbstfindung“. Die junge Erwachsene sollte teilweise bei Gastfamilien wohnen. Es waren auch berufliche Tätigkeiten in Teilzeit und Vollzeit geplant. Der Oberste Gerichtshof entschied, dass die Unterhaltsberechtigte während des Auslandsjahres weiterhin einen Anspruch auf Unterhaltszahlungen hat (OGH 3 Ob 22/25v). Wie bei einem Au-pair, dass bei einer Gastfamilie untergebracht ist und nur ein Taschengeld erhält, liegt auch bei einem Work & Travel-Programm keine Selbsterhaltungsfähigkeit (= Ende der Unterhaltspflicht) vor.
Wenn die Frist von einem Jahr überschritten wird, kann dennoch ein Unterhaltsanspruch zustehen. Falls nach Abschluss der HTL eine gewisse Zeit gearbeitet wird, dann aber der Wunsch zum Studium aufkommt, kann die bereits erloschene Unterhaltspflicht wiederaufleben. In solchen Fällen sind weitere Voraussetzungen wie die Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen zu prüfen. Sofern diese erfüllt sind, hat das Kind wieder einen Unterhaltsanspruch. Die Selbsterhaltsungsfähigkeit in der Vergangenheit aufgrund des Arbeitseinkommens schadet nicht.
Überprüfung der Ausbildung und Zielstrebigkeit
Für die unterhaltsverpflichtete Person ist es wichtig, regelmäßig beim Unterhaltsberechtigten nachzufragen, wie die Ausbildung läuft und sich Nachweise wie etwa einen Studienerfolgsnachweis vorlegen zu lassen. Wenn das Studium ab einem gewissen Zeitpunkt nicht mehr ernsthaft und zielstrebig verfolgt wird, steht kein Unterhalt mehr zu. Wenn der Unterhaltsverpflichtete das nicht weiß und trotzdem Unterhaltszahlungen leistet, besteht die Gefahr, dass das Kind die Unterhaltszahlungen gutgläubig verbraucht. Das Geld also ausgegeben wird, weil sich das Kind denkt, weiterhin einen Unterhaltsanspruch zu haben. Dann können die bereits geleisteten Unterhaltszahlungen meist nicht zurückgefordert werden.
Eigenes Einkommen des Kindes
Wenn das Kind ein eigenes Einkommen bezieht, das unter einem üblichen Vollzeitlohn liegt (zB Lehrlingsentschädigung) kann die sogenannte Teilselbsterhaltungsfähigkeit eintreten. Für solche Fälle wurde vom Obersten Gerichtshof eine eigene Formel entwickelt, anhand welcher die Höhe des verbleibenden Unterhaltsanspruchs zu berechnen ist. Die andere Berechnungsart und Berücksichtigung des Einkommens des Kindes führt dazu, dass die Höhe des Unterhaltsanspruchs geringer wird. Bis zu einem eigenen Einkommen von rund EUR 1.400 netto (Stand 2025) pro Monat besteht meist noch ein Unterhaltsanspruch. Jedenfalls sollten Rechnungen für Kosten der Berufsschule oder sonstige Kosten die für die Lehrausbildung notwendig sind, nicht entsorgt werden, weil diese Kosten vom Einkommen abgezogen werden können. Dadurch erhöht sich wiederum der Unterhaltsanspruch.
Neben einer Lehrlingsentschädigung kann auch eine in Teilzeit neben dem Studium regelmäßig ausgeübte Tätigkeit relevant sein. Jedoch ist der Lohn für ein 1-monatiges Praktikum nicht umfasst; dadurch wird der Unterhaltsanspruch nicht reduziert. Wenn das Kind über ein größeres Sparguthaben verfügt, können anfallende Zinsen als Eigeneinkommen relevant sein. Ebenfalls allfällige Mieteinnahme bei einer geerbten Wohnung.
Während des Zivildienstes oder Präsenzdienstes hat das Kind einen gesetzlichen Anspruch auf diverse Sach- und Geldleistungen. Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes steht in dieser Zeit bei durchschnittlichen Lebensverhältnissen in der Regel kein Unterhaltsanspruch zu. Nur wenn das Einkommen des Unterhaltspflichtigen überdurchschnittlich gut ist, gibt es einen Anspruch auf eine Unterhaltsleistung.
Fazit
Bei der Frage, wie lange ein Kind einen Anspruch auf Gewährung eines Unterhalts hat, sind jeweils die Umstände im Einzelfall relevant. Je älter das Kind ist, desto wahrscheinlicher ist es, dass kein Unterhaltsanspruch mehr besteht. Auch bei älteren Kindern ist ein Anspruch jedoch nicht ausgeschlossen. Ein Kind, dass viele Monate gearbeitet hat und sich dann zum Studium entschließt, kann erneut einen Unterhaltsanspruch haben.
Ich berate Sie sowohl als Unterhaltsberechtigter als auch als Elternteil gerne zu Unterhaltsansprüchen. Vereinbaren Sie jetzt einen Besprechungstermin!
Dr. Sarah Korn
11.04.2025