Haftet mein minderjähriges Kind und muss es Schadenersatz leisten? Hafte ich für das Verhalten meines Kindes?
Nach dem Gesetz sind Kinder bis zu ihrem 14. Geburtstag deliktsunfähig. Bis zu diesem Zeitpunkt geht der Gesetzgeber davon aus, dass einem Kind die Einsicht fehlt, ein Unrecht einzusehen und entsprechend zu handeln. Ab dem 14. Geburtstag müssen Kinder grundsätzlich für ihre Fehler einstehen und Schadensersatz leisten. Ausnahmen können bestehen, wenn etwa eine geistige Beeinträchtigung vorliegt.
Vor dem 14. Geburtstag muss ein Kinder daher meistens nichts zahlen, wenn es einen Schaden verursacht hat.
Haftet eine Aufsichtsperson anstatt des Kindes?
Aufsichtspersonen wie Eltern können schadenersatzpflichtig werden, wenn sie die Aufsichtspflicht verletzen; sie das Kind also nicht angemessen im Auge behalten. Als Aufsichtsperson kommt neben einem Elternteil auch eine Person in Frage, die die Aufsicht für das Kind für einen gewissen Zeitraum übernommen hat. Das können etwa ein Babysitter oder die Eltern eines befreundeten Kindes sein.
Muss das Kind also durchgehend überwacht werden? Im Alltag findet man häufig Schilder mit der Aufschrift „Eltern haften für ihre Kinder“. Derart allgemein formuliert, ist diese Aussage jedoch rechtlich nicht korrekt. Ein Kind muss sich entwickeln können und die Möglichkeit haben, selbstständig zu werden. Daher müssen Kinder jedenfalls ab einem bestimmten Alter nicht mehr durchgehend überwacht werden.
Wie genau muss das Kind also im Auge behalten werden? Dabei wird regelmäßig gefragt, welche Maßnahmen von vernünftigen Aufsichtspersonen erwartet werden können. Zum Beispiel wird eine genauere Überwachung verlangt, wenn das Kind in der Vergangenheit bereits mehrfach durch ein schädigendes Verhalten aufgefallen ist. Die Aufsichtspflicht kann sich auch erhöhen, wenn dem Kind ein gefährlicher Gegenstand wie ein Feuerwerkskörper oder ein Luftdruckgewehr zum Spielen überlassen wird. Hingegen kann einem bisher gehorsamen schulpflichtigen Kind meist erlaubt werden, alleine zur Schule zu gehen. Den Eltern kann dann in der Regel keine Verletzung der Aufsichtspflicht vorgeworfen werden, wenn das Kind am Schulweg einen Schaden verursacht.
Die Aufsichtspflicht endet nicht automatisch mit dem 14. Geburtstag, sondern besteht so lange, wie das Kind eine Erziehung benötigt.
Gibt es auch Fälle, in denen ein Kind vor dem 14. Geburtstag haftet?
Eine Aufsichtsperson haftet nur, wenn die Aufsichtspflicht verletzt wurde. Wenn das nicht der Fall ist und kein Ersatz von der Aufsichtsperson verlangt werden kann, besteht ausnahmsweise die Möglichkeit, dass das Kind vor dem 14. Geburtstag selbst schadenersatzpflichtig wird. Dabei müssen besondere Umstände vorliegen, die eine Haftung des Kindes angemessen erscheinen lassen.
Zunächst ist zu fragen, ob das Kind im Einzelfall erkennen konnte, dass sein Verhalten falsch ist. Zu denken ist etwa an einen 13-Jährigen, der Steine gegen eine Fensterscheibe wirft. Außerdem werden die Vermögensverhältnisse des Kindes und des Geschädigten berücksichtigt. Dabei spielt es häufig eine Rolle, ob für das Kind eine Haftpflichtversicherung abgeschlossen wurde. Wenn ein Versicherungsschutz besteht, wird regelmäßig davon ausgegangen, dass sich das Kind den Schaden „besser leisten“ kann als der Geschädigte. Liegen diese Voraussetzungen vor, wird vom Gericht festgelegt, in welcher Höhe ein Ersatzbetrag angemessen ist. Es muss nicht zwingend der volle Schaden ersetzt werden.
Im Einzelfall kann daher ein Kind bereits vor dem 14. Geburtstag haften.
Spielt das Verhalten des Geschädigten eine Rolle?
Der Geschädigte kann seine Ersatzansprüche verlieren, wenn er selbst ein Verhalten setzt, das mit der Verursachung des Schadens in einem Zusammenhang steht. Dabei ist insbesondere an ein provozierendes Verhalten des Geschädigten zu denken. Wenn der Geschädigte hingegen selbst nicht fähig ist, sein Unrecht einzusehen, muss ein provozierendes Verhalten nicht zum Entfall des Ersatzanspruchs führen. Das kann etwa bei einer Auseinandersetzung zwischen zwei Volksschülern der Fall sein.
Insgesamt ist immer im Einzelfall zu prüfen, ob ein Kind oder eine Aufsichtsperson schadenersatzpflichtig ist. Letztendlich gibt es auch Fälle, in denen der Geschädigte keinen Ersatz für seinen Schaden erhält und diesen selbst tragen muss. Aufgrund der unterschiedlichen Situationen, die in der Praxis vorkommen, ist zur angemessenen Durchsetzung oder Abwehr von Schadenersatzansprüchen stets eine individuelle Beratung erforderlich.
10.07.2023
Dr. Sarah Korn