Mietzinsminderung bei unbekanntem Mangel?

Kann der Mieter den Mietzins wegen eines Mangels des Mietobjektes mindern, obwohl er den Mangel gar nicht kannte? Rechtsprechungsdivergenz zweier OGH-Senate.

Nicht zum ersten Mal sind sich zwei verschiedene Senate des Obersten Gerichtshofes in einer Angelegenheit des Mietrechtes uneinig: es geht um die Frage, ob dem Mieter oder Pächter ein Anspruch auf Minderung des Mietzinses auch dann zusteht, wenn er den Mangel gar nicht kannte und in Unkenntnis des Mangels das Bestandobjekt ohne subjektive Beeinträchtigung benützt hat.

Gemäss § 1096 ABGB ist der Vermieter oder Verpächter einer Sache verpflichtet, die Bestandsache während der Vertragsdauer im vereinbarten Zustand zu erhalten. Tut er dies nicht, so mindert sich der Bestandzins in dem Ausmaß, in dem das Bestandobjekt zum vereinbarten Gebrauch untauglich ist.

Die Erhaltungspflicht des Vermieters ist durch das Mietrechtsgesetz abweichend davon geregelt. Für das Innere des Mietgegenstandes ist im Vollanwendungsbereich des Mietrechtsgesetzes der Mieter zuständig. Nur bei ernsten Hausschäden bleibt es bei der Erhaltungspflicht des Vermieters. Was bleibt, ist aber das Recht auf Mietzinsminderung nach § 1066 ABGB, auf das im Vorhinein auch nicht verzichtet werden kann. Es handelt sich um eine in der Praxis durchaus häufige Sache, dass Mieter rückständige Mietzinse mit der (teilweisen) Unbrauchbarkeit des Mietobjektes rechtfertigen oder zu rechtfertigen versuchen.

Im Abstand weniger Monate hatte sich der oberste Gerichtshof nun mit Fällen einer solchen Mietzinsminderung zu befassen. In beiden Rechstsachen ging es darum, dass die Elektroinstallationen nicht mehr dem heutigen technischen Standard entsprachen und objektiv gesundheitsgefährdend mit potentieller Lebensgefahr für die Bewohner waren. In beiden Fällen hat sich der Mangel aber erst nachträglich herausgestellt. Der Mieter hatte in Unkenntnis des Mangels den Mietgegenstand tatsächlich ganz normal und ohne Einschränkung benützt.

Die Frage, ob in einem derartigen Fall der Mieter zur Minderung des Mietzinses berechtigt ist, wurde nun von zwei verschiedenen Senaten des Obersten Gerichtshofes unterschiedlich und konträr beurteilt:

In der Entscheidung 6 Ob 38/11y vom 16.3.2011 hat der Senat 6 ausgesprochen, dass der fehlende bedungene Gebrauch auch tatsächlich spürbar sein müsse. Der Mieter müsse also im Gebrauch tatsächlich beeinträchtigt werden. Darüber hinaus verlangt der Senat 6 als Voraussetzung einer Mietzinsminderung, dass der Mangel vom Mieter auch den Vermieter angezeigt und gerügt worden ist. Es handle sich um einen Sonderfall eines Gewährleistungsanspruches. Der Vermieter müsse durch eine Mängelanzeige auch die Gelegenheit haben, den Mangel zu beseitigen.

Weil aber im vorliegenden Fall dem Mieter die Gefährlichkeit der Elektroinstallationen gar nicht bekannt war und er diese daher auch nicht beim Vermieter gerügt hat, steht ihm auch kein Anspruch auf Minderung des Mietzinses zu. Dies, obwohl objektiv durchaus Lebensgefahr bestanden hat.

In seiner Entscheidung vom 8 Ob 90/10h vom 15.07.2011 spricht hingegen der Senat 8 aus, es sei für die Anwendung der Mietzinsminderung nur erforderlich, dass die tatsächlich erbrachte Leistung von der vertraglich geschuldeten Leistung objektiv abweiche. Das subjektive Empfinden des Bestandnehmers sei bedeutungslos, der Mangel müsse für den Bestandnehmer daher auch gar nicht erkennbar sein. Auch eine bislang unentdeckt gebliebene, objektiv aber gefährliche Benutzbarkeit der Wohnung entspräche nicht dem Vertrag und führe zur Mietzinsminderung.

Zum Trost der Vermieter sei erwähnt, dass der OGH zugleich ausgesprochen hat, es müsse die Gefährlichkeit der Elektroinstallationen streng geprüft werden. Wenn zum Beispiel durch einfache technische Mittel wie die Verwendung von schutzisolierten Elektrogeräten der Mangel des fehlenden Schutzleiters kompensiert werden könne, liege auch keine wesentliche Gebrauchsminderung vor.

Wieder einmal hängt also die Beantwortung einer relativ einfachen und vermutlich gar nicht so seltenen Frage davon ab, vor welchen Senat des Obersten Gerichtshofes die Sache zur Entscheidung gelangen wird. Das ist nicht besonders erfreulich, der juristische Laie wird für derartige Zufälligkeiten vermutlich nur wenig Verständnis aufbringen können. Es bleibt daher zu hoffen, dass in dieser Angelegenheit ein klärendes Wort bald ergehen wird, damit man wieder von einer einheitlichen und kalkulierbaren Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zu der doch nicht so seltenen Frage der Mietzinsminderung sprechen kann.

24.10.2011
Dr. Michael Gärtner