Unfälle im Straßenverkehr kommen jeden Tag vor. Wenn Sie einen Unfall erlitten haben, stellt sich die Frage, ob jemand den Schaden ersetzen muss. Zudem ist zu prüfen, welche Ansprüche gegen den Schädiger bestehen und wofür man einen Ersatz erhält.
Wenn ein Verkehrsunfall durch einen Autofahrer verursacht wird, hat der Verletzte einen wesentlichen Vorteil. In Österreich muss jedes Auto haftpflichtversichert sein. Der Geschädigte kann sich mit seinen Ansprüchen direkt an die Haftpflichtversicherung wenden und ist die Versicherung in der Regel zahlungskräftiger als der Unfalllenker. Zudem gilt das Eisenbahn- und Kraftfahrzeughaftpflichtgesetz (EKHG), das für den Geschädigten bestimmte Vorteile bringt.
Welche Ansprüche können geltend gemacht werden? Nach einem Unfall kann ein Ersatz für den Schaden am eigenen Auto in Form von Reparaturkosten gefordert werden. Gerade bei Neuwagen kann es vorkommen, dass trotz der Reparatur das Auto weniger Wert ist, weil es sich um ein Unfallfahrzeug handelt. In solchen Fällen kann zusätzlich ein sogenannter merkantiler Minderwert für den Wertverlust des Autos gefordert werden. Wenn die Reparaturkosten merklich höher sind, als das Fahrzeug vor dem Unfall wert war, handelt es sich um einen Totalschaden. In diesem Fall bekommt man eine Zahlung in jener Höhe, die das Auto vor dem Unfall wert war.
Zusätzlich kann ein Ersatz für Abschleppkosten oder die Kosten der Neuzulassung für einen anderen PKW gefordert werden. Möglich ist auch ein Ersatz für Kosten, die wegen dem Unfall keinen Sinn mehr haben. Beispielsweise kann die Miete für einen Garagenstellplatz sinnlos werden, weil der Stellplatz wegen des Unfalls nicht verwendet wird. Wenn die Kleidung beim Unfall beschädigt wurde, kann auch ein Ersatz gefordert werden.
Ein weiterer großer Punkt ist das Schmerzengeld. Je nachdem wie intensiv eine Person beim Unfall verletzt wurde, unterscheidet sich die Höhe erheblich. Die Gerichte orientieren sich an pauschalen Sätzen in Höhe von rund EUR 120,- für einen Tag leichte Schmerzen, EUR 240,- für einen Tag mittlere Schmerzen und EUR 360,- für einen Tag starke Schmerzen. Aufgrund dieser Art der Berechnung ist es sinnvoll, ab dem Tag des Unfalls ein Schmerztagebuch zu führen, in dem die Intensivität der Schmerzen festgehalten ist. Erfahrungsgemäß fällt es Verletzten sechs Monate oder ein Jahr nach dem Unfall schwer, ohne Notizen die Intensität der Schmerzen genauer zu schildern.
Neben dem körperlichen Schmerz kann auch ein seelischer Schmerz entstehen, der sich etwa in einer posttraumatischen Belastungsstörung äußert. Im Rahmen der Schock- und Trauerschäden sind sowohl Ansprüche von unmittelbar am Unfall beteiligten Personen zu prüfen. Zudem kann eine Person Ansprüche stellen, die durch die Nachricht vom Tod eines nahen Angehörigen sehr schwer getroffen wird. Wenn die Voraussetzungen im jeweiligen Fall erfüllt sind, kann vom Unfallverursacher ein Geldbetrag für die erlittenen seelischen Schmerzen verlangt werden.
Zusätzlich werden Kosten für Medikamente und eine Physiotherapie oder Arztrechnungen anfallen, die vom Schädiger bzw dessen Haftpflichtversicherung zu ersetzen sind. Dabei ist es wichtig, von Beginn an alle Rechnungen der Apotheke usw aufzuheben, damit die Kosten nachgewiesen werden können. Wenn man durch einen Unfall verletzt wird, müssen oft Angehörige oder Freunde im Haushalt aushelfen und Lebensmittel einkaufen. Für diesen Aufwand gibt es einen Ersatz von Pflegekosten, unabhängig davon, ob tatsächlich eine Pflegekraft bezahlt wurde oder die Familie diese Arbeiten übernommen hat. Auch hier ist die Dokumentation von Beginn an wichtig.
Wenn der Unfall einen längeren Krankenstand zur Folge hat, bekommt man vom Arbeitgeber kein Gehalt mehr und ist man auf das Krankengeld angewiesen. Das Krankengeld beträgt meist 50 bzw 60 % des vorherigen Netto-Einkommens. Für den Differenzbetrag kann ein Ersatz vom Schädiger verlangt werden. Bei Selbstständigen besteht auch die Möglichkeit, den Einkommensverlust geltend zu machen. Zudem hat der Arbeitgeber einen Anspruch gegen den Schädiger, wenn er dem Arbeitnehmer für die ersten Wochen des Krankenstandes seinen Lohn weiter zahlen muss.
In der Praxis werden die Ersatzansprüche direkt mit der Haftpflichtversicherung des Unfallverursachers abgewickelt. Wenn es eindeutig ist, wer den Unfall verursacht hat, kann ohne eine Klage einzureichen, über die Höhe der Ersatzzahlung gesprochen werden. Oft werden über die Versicherung bereits vor einem Gerichtsverfahren Gutachten eingeholt, um die Höhe der Schadenersatzforderung zu konkretisieren. Wenn man als Geschädigter mit dem Gutachten nicht einverstanden ist, kann im Gerichtsverfahren auf ein Gutachten durch einen anderen Sachverständigen bestanden werden. Hingegen ist in Fällen, in denen die gegnerische Versicherung jede Zahlung ablehnt, die Einleitung eines Gerichtsverfahrens zur Durchsetzung der Ansprüche erforderlich.
Im Schadenersatzrecht ist zudem ein mögliches Mitverschulden zu prüfen. In der Praxis kommt es vor, dass mehrere Personen einen Unfall verursachen, weil sie jeweils zu schnell gefahren sind oder andere Verkehrsregeln nicht beachtet haben. In solchen Fällen bekommt man als Geschädigter nicht den gesamten Schaden ersetzt. Vom Ersatzbetrag wird ein Teil abgezogen, weil der Geschädigte auch dazu beigetragen hat, dass es zum Unfall gekommen ist. Ein Mitverschulden kann auch darin liegen, dass sich der Geschädigte nicht ausreichend geschützt hat. Zum Beispiel hat der Oberste Gerichtshof im Jahr 2014 ausgesprochen, dass sportlich ambitionierte Radfahrer einen Helm tragen müssen, um sich selbst zu schützen. Wenn kein Helm getragen wird, muss der Schädiger weniger bezahlen (OGH 2 Ob 99/14v).
Wenn beim Unfall jemand verletzt wird, kommt auf den Unfallverursacher regelmäßig ein gerichtliches Strafverfahren zu. Für den Geschädigten kann das ein wesentlicher Vorteil sein. Bei einer Verurteilung im Strafverfahren kann der Schädiger – oder dessen Haftpflichtversicherung – später im Schadenersatzprozess nicht behaupten, nicht schuld am Unfall zu sein. Zudem hat der Geschädigte die Möglichkeit, sich als sogenannter Privatbeteiligter dem Strafverfahren anzuschließen. Das Strafgericht kann dem Geschädigten dann eine Zahlung zusprechen. Das ist eine sehr kostengünstige Möglichkeit, um eine Ersatzzahlung zu erhalten, weil die wesentlichen Kosten des Gerichtsverfahrens der Schädiger oder der Staat bezahlt.
Als Geschädigter muss darauf geachtet werden, dass die Ersatzansprüche rechtzeitig eingeklagt werden. Die Verjährungsfrist beträgt drei Jahre ab dem Zeitpunkt, in dem der Geschädigte weiß, dass ein Schaden entstanden ist und wer den Schaden verursacht hat. Bei einem Verkehrsunfall ist das der Tag des Unfalls. Vorsicht ist in diesem Zusammenhang bei Internetrecherchen geboten. In Deutschland ist die Verjährungsfrist etwas länger. Wenn man sich bei den falschen Quellen erkundigt, kann das praktisch zum Verlust der Ersatzforderung führen.
Somit zeigt sich, dass nach einem Unfall viele Punkte zu berücksichtigen sind, an die man im ersten Moment nicht denkt. Dadurch ist es wichtig, bereits früh eine rechtliche Beratung in Anspruch zu nehmen, um über die notwendige Dokumentation informiert zu sein und zu wissen, auf welche Punkte es im eigenen Fall ankommt.
Für eine ausführliche Beratung stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung.
12.11.2024
Dr. Sarah Korn