Was ist das Pflegevermächtnis? Wie wird die Höhe berechnet?

Mit dem Pflegevermächtnis hat der Gesetzgeber für pflegende Angehörige einen eigenen gesetzlichen Anspruch geschaffen. Das Pflegevermächtnis stellt einen finanziellen Ausgleich für erbrachte Pflegeleistungen dar. Die pflegende Person soll aus dem Vermögen des Verstorbenen einen Anteil erhalten. Die Zahlung steht neben dem Pflichtteil zu. Wenn nur ein Kind einen Elternteil gepflegt hat, erhält das pflegende Kind grundsätzlich mehr aus dem Erbe als die Geschwister.

Wem steht ein Pflegevermächtnis zu?

Das Pflegevermächtnis kann von jeder Person beansprucht werden, die dem Verstorbenen nahe stand. Das sind vor allem nahe Verwandte wie der Ehegatte oder die Kinder, aber auch der Lebensgefährte und dessen Kinder. Hingegen sind Freunde nicht umfasst. Vor allem Lebensgefährten werden damit begünstigt, die neben den Kindern des Verstorbenen kein gesetzliches Erbrecht haben. Sie können das Pflegevermächtnis in Anspruch nehmen.

Zudem muss die Pflege in den letzten drei Jahren von dem Tod und zumindest sechs Monate lang erbracht worden sein. Über die letzten drei Jahre hinaus, kann im Einzelfall aufgrund eines bereicherungsrechtlichen Anspruchs eine Zahlung zustehen. Wenn ein Kind die Mutter bis vier Jahre vor dem Tod gepflegt hat und in den letzten vier Jahren die Pflege von jemand anderem übernommen wurde, steht kein Pflegevermächtnis zu. Die Pflege darf nicht bloß geringfügig sein, wobei durchschnittlich 20 Stunden pro Monat als Richtwert gelten. Wenn hin und wieder für den Pflegebedürftigen eingekauft und gekocht wird, entsteht kein Pflegevermächtnis.

Das Pflegevermächtnis steht nur zu, wenn keine Gegenleistung vereinbart wurde. Falls der Pflegebedürftige und die pflegende Person vereinbart haben, dass letztere das Haus oder einen vereinbarten Geldbetrag für die geleistete Pflege bekommt, steht das Pflegevermächtnis idR nicht zu. Eine andere Leistung kann sein, dass für die Pflege etwa im Testament bestimmte Vermögenswerte wie ein Schmuckstück vermacht werden. Dann ist der Wert des Schmuckstücks bei der Höhe des Pflegevermächtnisses zu berücksichtigen. Zuwendungen für die Pflege sind auch dann zu berücksichtigen, wenn sie nicht direkt vom Pflegebedürftigen, sondern von Dritten wie Geschwistern geleistet werden. Sofern die Zuwendungen wie ein Schmuckstück weniger Wert sind als die geleistete Pflege, können weitere Ansprüche gestellt werde. Es kann also ein zusätzlicher Anspruch zustehen.

Der Anspruch geht nicht automatisch verloren, wenn der Pflegebedürftige auch Leistungen von einem Pflegedienst erhält oder mehrere Kinder Pflegeleistungen erbringen. Je nachdem, in welchem Ausmaß eine Pflege benötigt wird, können einzelne Pflegemaßnahmen wie das Kochen oder die Körperpflege etwa kostenpflichtig durch Dritte erbracht werden. Wenn zusätzlich regelmäßig Pflegeleistungen durch eine nahestehende Person geleistet werden, gebührt dennoch ein Pflegevermächtnis. Ohne die kostenlose Pflege wäre schließlich eine Drittpflege in einem größeren Umfang notwendig.

Wie hoch ist das Pflegevermächtnis?

Die Höhe des Pflegevermächtnisses hängt primär davon ab, in welchem Umfang und für welche Dauer Leistungen erbracht wurden. Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes ist zu fragen, welcher Stundenlohn angemessen wäre. Als Orientierung wird dabei auf die Mindestlohntarife für Haushaltsbeschädigte angeknüpft. Dabei ist das 13. und 14. Gehalt miteinzubeziehen und zu berücksichtigen, dass beim Mindestlohn für Haushaltsangestellte Zuschläge etwa für Nachtarbeit zustehen und erfahrenen Angestellten ein höherer Lohn zusteht (OGH 2 Ob 63/21k). Es ist vom Netto-Lohn auszugehen; Lohnnebenkosten wie Sozialabgaben werden nicht miteinbezogen. In einem Gerichtsverfahren würde die konkrete Höhe des Pflegevermächtnisses letztlich von einem Richter unter Berücksichtigung aller Umstände im Einzelfall geschätzt werden. In der Vergangenheit wurde etwa ein Stundenlohn von EUR 14,- als angemessen beurteilt.

Aus Sicht des Pflegenden ist es wichtig, dass die Pflegeleistungen dokumentiert werden. Je detaillierter die Aufzeichnungen sind, desto leichter fällt später der Nachweis, dass die Leistungen erbracht wurden. Erfahrungsgemäß kann sich eine Person zwei oder drei Jahre später nicht mehr erinnern, welche Pflegearbeiten genau an welchem Tag geleistet wurden. Ich empfehle daher jedenfalls ein Pflegetagebuch zu führen, worin die einzelnen Pflegeleistungen dokumentiert werden. Bei einer guten Dokumentation kann im Streitfall oftmals schneller eine Einigung erzielt werden und dadurch ein Gerichtsverfahren vermieden werden.

In der Regel bezieht die pflegebedürftige Person ein Pflegegeld einer Sozialversicherung – zwingend ist dies jedoch nicht. Wenn das Pflegegeld faktisch die pflegende Person erhält, ist es bei der Berechnung der Höhe des Pflegevermächtnisses abzuziehen. Wenn das Pflegegeld hingegen auf dem Konto des Pflegebedürftigen verbleibt, ist es nicht zu berücksichtigen.

Wer muss das Pflegevermächtnis bezahlen?

Wer das Pflegevermächtnis bezahlen muss, hängt davon ab, wann es eingefordert wird. Nach dem Tod des Pflegebedürftigen kann die Zahlung von der Verlassenschaft verlangt werden. Das wäre eine Zahlung aus dem Vermögen des Verstorbenen. Wenn bereits ein Erbe feststeht und dieser in die Verlassenschaft eingeantwortet wurden – also das Vermögen erhalten hat – kann der Anspruch gegen den Erben durchgesetzt werden. Aus Sicht des Erben sollte nach dem Tod möglichst früh überlegt werden, ob Personen ein Pflegevermächtnis zukommen könnte. Wenn das Pflegevermächtnis nicht bedacht wird, könnte der Fall eintreten, dass der Erbe die Leistung aus seinem eigenen Vermögen bezahlen muss.

Zuerst hat der zuständige Notar als Gerichtskommissär zu versuchen, dass es zu einer Einigung der pflegenden Person mit den möglichen Erben kommt. Falls das nicht funktioniert, kann die pflegende Person ihren Anspruch vor Gericht einklagen. Der Anspruch muss in der Regel spätestens innerhalb von drei Jahren ab Kenntnis des Todes des Pflegebedürftigen eingeklagt werden, ansonsten ist der Anspruch verjährt. Danach besteht allenfalls die Möglichkeit sogenannte bereicherungsrechtliche Ansprüche geltend zu machen, weil Pflegeleistungen ohne Gegenleistung erbracht wurden. Dann sind andere gesetzliche Regelungen zu prüfen.

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Dr. Sarah Korn
10.02.2025